Die Anforderungen an ein Arbeitszeugnis


Was ist der Unterschied zwischen einem Arbeitszeugnis und einem Zwischenzeugnis?

Die beiden Begriffe sind weitgehend Deckungsgleich. Von einem Arbeitszeugnis spricht man im Alltag meistens, wenn man eigentlich ein Schlusszeugnis meint, das nach Ende der Anstellung ausgestellt wird. Ein Zwischenzeugnis wird dagegen während einer laufenden Anstellung verlangt, z.B. wenn ein Vorgesetzter wechselt, der Arbeitnehmer befördert wird oder sich bewerben möchte. Der Inhalt des Zwischenzeugnisses entspricht dabei grundsätzlich dem Schlusszeugnis. Beide Zeugnisse werden vom Arbeitgeber formuliert und geben Auskunft über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses und über die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers (Art. 330a Abs. 1 OR). Meistens wird das Zwischenzeugnis im Präsens d.h. in der Gegenwart formuliert («erbringt» gute Leistungen, anstatt «erbrachte» gute Leistungen). Das Enddatum sowie der Beendigungsgrund entfallen beim Zwischenzeugnis logischerweise ebenfalls, da das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet wurde. Neben dem Schlusszeugnis und dem Zwischenzeugnis kann alternativ auch eine Arbeitsbestätigung verlangt werden (Art. 330a Abs. 2 OR). In einer Arbeitsbestätigung beschränkt sich der Inhalt auf die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses. Die Leistung und das Verhalten wird dagegen nicht erwähnt, was besonders dann sinnvoll sein kann, wenn der Arbeitgeber unzufrieden ist und ein negatives Zeugnis ausstellen würde.


Muss der Arbeitgeber mir ein Arbeitszeugnis ausstellen?

Ja, Arbeitnehmer können jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen (Art. 330a Abs.1 OR). Es besteht also eine Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer ein solches Zeugnis auszustellen und diese Pflicht kann notfalls auch vor Gericht durchgesetzt werden. Das Arbeitszeugnis kann ausserdem auch nach Ende der Anstellung beim ehemaligen Arbeitgeber noch verlangt werden. Der Anspruch verjährt gemäss Art. 127 OR grundsätzlich nämlich erst 10 Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.


Welche rechtlichen Voraussetzungen muss ein Arbeitszeugnis in der Schweiz erfüllen?

Das Zeugnis muss zunächst sprachlich korrekt und in schriftlicher Form (maschinengeschrieben) erstellt werden. Es hat einen ordentlichen Eindruck zu vermitteln und die notwendigen Angaben (z.B. Anfang und Ende der Anstellung, Identität des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers, Funktionen usw.) zu enthalten. Inhaltlich muss das Zeugnis vollständig, klar, wahrheitsgetreu und wohlwollend sein und den Arbeitnehmer in seinem wirtschaftlichen Fortkommen nicht unrechtmässig beeinträchtigen. Das Arbeitszeugnis hat objektiv richtig zu sein. Aussagen, die in keinem direkten Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, sind unzulässig. Geheimcodes, mit welchen man versteckte Botschaften an potenzielle Arbeitgeber weitergeben möchte, sind nicht zulässig. Eine Übersicht über die Voraussetzungen finden Sie hier auf der Seite des SECO.

Negative Punkte dürfen im Zeugnis erwähnt werden, solange es sich um wichtige Tatsachen handelt, die für die Gesamtbeurteilung der Leistung wichtig sind. Geringfügige Verfehlungen (z.B. seltene Verspätungen, wenige Absenzen, einzelne Konflikte) dürfen nicht im Zeugnis erwähnt werden. Längere Krankheitsabsenzen sind dann im Arbeitszeugnis zu erwähnen, wenn sie im Verhältnis zur Anstellungsdauer ins Gewicht fallen. Das Bundesgericht äusserte sich unter anderem im Entscheid BGE 136 III 510, E.4.1 zur Frage, wann krankheitsbedingte Abwesenheiten im Arbeitszeugnis zu erwähnen sind.

Eine Vorlage für ein Arbeitszeugnis finden Sie bei den Word-Vorlagen.


Wie ist ein Arbeitszeugnis aufgebaut?

  • Überschrift: Zeugnis, Arbeitszeugnis, Zwischenzeugnis usw.
  • Name und Adresse des Arbeitgebers
  • Angaben des Arbeitnehmers mit Geburtsdatum und Heimatort
  • Beginn und Ende der Anstellung
  • Arbeitspensum
  • Position und hierarchische Stellung
  • Vollständige Beschreibung der Aufgaben und Pflichten des Arbeitnehmers
  • Beförderungen und absolvierte Weiterbildungen
  • Beurteilung der Leistung – diese und die nächste Passage sind besonders bedeutend
  • Beurteilung des Verhaltens zu Vorgesetzten, Kunden und Mitarbeitern
  • Bei leitenden Angestellten: Führungsstil und Führungsqualitäten
  • Austrittsgrund – bei Einverständnis
  • Schlussformel: Z.B. Wünsche für die Zukunft, Dank für die geleistete Arbeit
  • Ort, Datum und Unterschriften

Habe ich Anspruch auf bestimmte Formulierungen?

Das Arbeitszeugnis wird vom Arbeitgeber formuliert. Falls Arbeitnehmer mit einem Punkt im Arbeitszeugnis nicht einverstanden sind, dann müssen sie beweisen, dass die Formulierung nicht den rechtlichen Anforderungen (siehe oben) entspricht. Es kann grundsätzlich also nicht verlangt werden, dass Sätze «schöner» geschrieben werden. Ausserdem besteht kein Anspruch auf bestimmte Formulierungen wie z.B. «zu unserer vollen Zufriedenheit» anstatt «zu unserer Zufriedenheit». Auch sonstige Anpassungen können grundsätzlich nur dann verlangt werden, wenn der Inhalt ansonsten unwahr oder unvollständig ist. Es ist demnach meistens auf dem Rechtsweg nicht möglich, ein «gut» in ein «sehr gut» umwandeln zu lassen oder ein «sehr gut» in ein «ausgezeichnet».


Wie gehe ich vor, wenn ich mit dem Arbeitszeugnis nicht einverstanden bin?

Sprechen Sie zunächst mit dem Arbeitgeber. Teilen Sie diesem mit, weshalb Sie mit dem Arbeitszeugnis nicht einverstanden sind. Wichtig ist, dass Sie die Punkte genau aufzeigen, die Ihrer Meinung nach nicht korrekt sind. Bitten Sie den Arbeitgeber, das Zeugnis innert einer angemessenen Frist anzupassen. Falls Sie mit mehreren Punkten nicht einverstanden sind, kann es sinnvoll sein, wenn Sie dem Arbeitgeber einen Zeugnisvorschlag/Formulierungsvorschlag zusenden. Falls der Arbeitgeber das Zeugnis nicht anpassen möchte, dann müssen Sie bei der kantonalen Schlichtungsstelle ein Schlichtungsgesuch einreichen. Die Schlichtungsstelle wird Sie und Ihren Arbeitgeber anschliessend zu einer Schlichtungsverhandlung einladen, bei welcher das Arbeitszeugnis diskutiert werden kann. Falls Sie keine Lösung finden können, wird eine sogenannte Klagebewilligung ausgestellt, mit welcher Sie innert 3 Monaten eine Klage beim Gericht einreichen können.


Tipps zum Umgang mit Arbeitszeugnissen

  • Falls im Zeugnis beispielsweise erwähnt wird, Ihr Verhalten zu Vorgesetzten und Kunden sei einwandfrei, so wurde das Verhalten zu Mitarbeitern wohl bewusst weggelassen. Ein potenzieller Arbeitgeber könnte daraus schliessen, dass Sie sich gegenüber Mitarbeitern nicht gut verhalten hätten. Im Zeugnis sollte das Verhalten zu Vorgesetzten, Kunden und Mitarbeitern erwähnt werden, sofern Sie bei der Arbeit auch tatsächlich Kontakt zu Kunden und Mitarbeitern hatten.
  • Sollte Ihr Arbeitgeber ohne Grund von einem kürzlich erstellten Zwischenzeugnis abweichen wollen, so verlangen Sie dafür eine Erklärung und bestehen Sie auf der Formulierung des Zwischenzeugnisses.
  • Denken Sie bei der Anfechtung eines Arbeitszeugnisses immer daran, dass die gute Referenz Ihres Arbeitgebers meistens noch wichtiger ist als einzelne Formulierungen.
  • Falls Ihr Arbeitsvertrag ohne wichtigen Grund fristlos gekündigt wurde, so fechten Sie die fristlose Kündigung an oder stellen Sie zumindest sicher, dass im Arbeitszeugnis als Enddatum das Ende eines Monats angegeben wird. Ist beim Enddatum z.B. ohne Erklärung der 13. März angegeben, so erkennt ein potenzieller Arbeitgeber, dass Sie fristlos gekündigt wurden.
  • Geben Sie sich insbesondere nicht mit einem schlechten Arbeitszeugnis zufrieden, falls Sie durchgehend gute Noten in den Mitarbeitergesprächen und keine Verwarnungen erhalten haben. Weisen Sie den Arbeitgeber auf Ihre guten Leistungen hin und verlangen Sie eine entsprechende Anpassung des Zeugnisses.

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Robin Eschbach

Rechtsanwalt, Mitbegründer von Rechtswissen.ch
Partner bei Advokatur am Fischmarkt, 4410 Liestal

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