Kindesentführung – Was tun?


Wann liegt eine Kindesentführung vor?

Gemäss der recht weiten Definition des Haager Kindesentführungsübereinkommens liegt eine Kindesentführung dann vor, wenn ein Kind durch einen Elternteil oder eine andere Person gegen den Willen des anderen Elternteils an einen anderen Ort gebracht wird und dadurch das Sorgerecht verletzt wird. Bei einer internationalen Kindesentführung wird das Kind ins Ausland gebracht oder dort (z.B. nach den Ferien) zurückbehalten. Leider kommen Kindesentführungen besonders in Scheidungsfällen immer wieder vor. Eine Kindesentführung ist automatisch eine Sorgerechtsverletzung, sofern das Kind nicht unter einer alleinigen elterlichen Sorge steht. Seit 2014 gilt in der Schweiz der Grundsatz der gemeinsamen elterlichen Sorge. Dies bedeutet, dass die Eltern die wichtigen Entscheidungen für das Kind gemeinsam fällen. Die elterliche Sorge schliesst das Recht ein, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen. Solange ein Gericht oder die KESB nichts anderes bestimmt hat, stehen Kinder also unter der gemeinsamen elterlichen Sorge und dürfen nicht ohne Zustimmung des anderen Elternteils an einen anderen Ort gebracht werden. Üben die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam aus und will ein Elternteil den Aufenthaltsort des Kindes wechseln, so bedarf dies grundsätzlich der Zustimmung des andern Elternteils oder der Entscheidung des Gerichts oder der Kindesschutzbehörde (Art. 301a ZGB). Mehr zur elterlichen Sorge finden Sie im Blog «Sorgerecht: Wann ist ein Entzug möglich?«.


Was sind die rechtlichen Folgen einer Kindesentführung?

Das Entziehen von Minderjährigen kann auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden (Art. 220 StGB). In Frage kommt grundsätzlich auch die Entführung nach Art. 183 StGB, die mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft werden kann. Damit eine Strafverfolgung eingeleitet wird, muss eine Strafanzeige sowie ein Strafantrag bei der Polizei eingereicht werden. Mehr Informationen dazu finden Sie in unserem Blog «Wie stelle ich eine Strafanzeige?«.


Wie hole ich mein Kind aus dem Ausland in die Schweiz zurück?

Entführungen von Kindern ins Ausland sind in Fällen ein besonders grosses Problem, wo das betreffende Land das Haager Kindesentführungsübereinkommen nicht ratifiziert hat. Eine Liste mit den Mitgliedsstaaten finden Sie hier. Betroffene können beim Bundesamt für Justiz (Zentralbehörde) ein Gesuch um Rückführung des Kindes stellen. Ist der aktuelle Aufenthaltsort unbekannt, kann die Zentralbehörde bei der Suche helfen, wenn man eine Vermutung hat. Die schweizerische Zentralbehörde leitet den Antrag an die zuständige Zentralbehörde im Ausland weiter, die den Aufenthaltsort des Kindes ermittelt und sich um eine freiwillige Rückgabe des Kindes bemüht. Scheitern die Vermittlungsbemühungen, dann hilft die Zentralbehörde bei der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens. Die Arbeit der Zentralbehörde ist kostenlos. Auch die gerichtlichen bzw. behördlichen Verfahren und die dabei notwendige Rechtsvertretung sind grundsätzlich kostenlos. Die Vertragsstaaten können bezüglich Kosten aber Vorbehalte anbringen. Das Rückführungsverfahren kann leider mehrere Monate oder sogar noch länger dauern. Dies hat viel damit zu tun, wie zuverlässig die Behörden im Staat arbeiten, wo sich das Kind befindet. Häufig können die erstinstanzlichen Entscheide in den Staaten dann noch angefochten werden. Kommt es zu einem Verfahren vor Gericht oder einer Behörde, entscheiden allein diese über die Rückführung. Hier ist der Beizug eines privaten Anwalts im betreffenden Land je nachdem sinnvoll. Das entführte Kind darf das 16. Altesjahr noch nicht vollendet haben. Bei grosser Dringlichkeit sollte das Gesuch direkt beim zuständigen Gericht des aktuellen Aufenthaltsorts eingereicht werden. Hier ist der Beizug eines (in der Regel kostenpflichtigen) Anwalts im betreffenden Land empfehlenswert. Eine Kindesentführung kann sehr belastend sein. Am besten holen Sie sich deshalb Hilfe bei einer Beratungsstelle oder einem Rechtsanwalt.


Weiterführende Informationen



Robin Eschbach

Rechtsanwalt, Mitbegründer von Rechtswissen.ch
Partner bei Advokatur am Fischmarkt, 4410 Liestal

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