Verpassen Sie keine Verwirkungsfrist: So verlieren Sie Ihre Rechte nicht
Diese Fristen müssen auch von Ihnen eingehalten werden! Neben der bekannteren Verjährungsfrist existiert noch die strengere Verwirkungsfrist. Sie hat in der Praxis häufig gravierende Folgen, denn nach Ablauf der Frist, ist das Recht endgültig erloschen. Verwirkungsfristen gibt es sowohl im Zivil- als auch im Verwaltungsrecht.
Was ist eine Verwirkungsfrist?
Eine Verwirkungsfrist ist eine gesetzlich festgelegte Frist. Innerhalb dieser Frist muss ein Recht geltend gemacht werden. Nach Ablauf der Verwirkungsfrist erlischt das Recht automatisch und kann demzufolge nicht mehr durchgesetzt werden.
Bsp.: Wer eine Kündigung im Mietrecht anfechten will, muss dies innert 30 Tagen tun gemäss Art. 273 OR. Nach Ablauf dieser Verwirkungsfrist ist keine Anfechtung der Kündigung mehr möglich. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Kündigung sogar missbräuchlich war.
Wie erkenne ich, ob es sich um eine Verwirkungs- oder um eine Verjährungsfrist handelt?
- Wortlaut des Gesetzes:
Verwirkungsfristen sind im entsprechenden Artikel im Gesetz oftmals folgendermassen formuliert: «Der Anspruch erlischt …», «Das Recht geht unter …».
Bei Verjährungsfristen wird dagegen häufig das Verb «verjähren» im Gestzestext verwendet.
- Dauer der Frist:
Verwirkungsfristen können oft kurz sein (zwischen 30 bis 180 Tagen). Die Frist zur mietrechtlichen Kündigungsanfechtung dauert beispielsweise 30 Tage gemäss Art. 273 OR. Hierbei handelt es sich, wie bereits erwähnt, um eine Verwirkungsfrist.
Verjährungsfristen hingegen sind meistens mehrere Jahre lang. Beispielsweise verjähren Forderungen aus Vertrag gemäss Art. 127 OR nach 10 Jahren.
Die Fristdauer ist für die rechtliche Einordnung zwar ein Anhaltspunkt, aber kein zuverlässiges Abgrenzungskriterium für sich allein.
Was ist der Unterschied zwischen einer Verwirkungs- und einer Verjährungsfrist?
Bei der Verjährung bleibt das Recht nach Ablauf der Frist weiter bestehen. Erhebt jedoch eine Partei die Einrede, dass das Recht bereits verjährt ist, wird die Verjährung beachtet und das Recht ist auch nicht mehr durchsetzbar. Eine solche Verjährungseinrede ist aber zwingend notwendig, damit das Gericht die Verjährung des Anspruchs überhaupt beachtet.
Das Recht ist nach Ablauf der Verwirkungsfrist automatisch nicht mehr durchsetzbar. Es erlischt also vollständig. Eine Einrede von einer Partei, dass das Recht verwirkt sei, ist (im Gegensatz zur Verjährung) nicht notwendig. Der Ablauf der Verwirkungsfrist wird von Amtes wegen (d.h. von den Behörden automatisch) berücksichtigt.
Die Verjährung kann in den Fällen von Art. 134 Abs. 1 OR stillstehen. Sie kann auch unterbrochen werden. Die Unterbrechungsgründe sind in Art. 135 OR aufgelistet.
Eine Verjährungsfrist kann demnach durch folgende Fälle unterbrochen werden:
- Wenn der Schuldner die Schuld anerkennt:
Dies geschieht beispielsweise, wenn er einen Teil der Schuld bezahlt (Ratenzahlung) oder wenn er mündlich oder schriftlich zugibt, dass er noch etwas schuldet.
- Wenn der Gläubiger rechtliche Schritte einleitet:
Die Einleitung einer Betreibung, die Einreichung einer Klage oder eines Schlichtungsgesuchs führt also zu einer Unterbrechung der Verjährungsfrist.
In diesen Fällen wird die Verjährungsfrist zurückgesetzt und sie beginnt wieder von neuem gemäss Art. 137 OR.
Bei den Verwirkungsfristen sieht das anders aus. Sie können weder stillstehen noch unterbrochen werden. Das ist auch der Grund dafür, weshalb Verwirkungsfristen strenger sind als Verjährungsfristen.
Wann beginnen Verwirkungsfristen zu laufen?
Die Verwirkungsfrist beginnt meistens zu laufen, sobald der Anspruch, den man geltend machen möchte, fällig wird und der Betroffene von seinem Recht Kenntnis hat oder Kenntnis hätte erlangen können. Das bedeutet, dass die Frist in der Regel ab dem Zeitpunkt läuft, ab dem der Betroffene von einem bestimmten Ereignis weiss oder hätte wissen müssen.
Im obgenannten Beispiel bei einem Irrtum zum Zeitpunkt eines Vertragsschlusses, beginnt die Verwirkungsfrist gemäss Art. 31 Abs. 2 OR mit der Entdeckung des Irrtums zu laufen.
Wie müssen Verwirkungsfristen gewahrt werden?
Wie bereits erläutert, müssen Verwirkungsfristen strikt und innerhalb der entsprechenden gesetzlichen Frist gewahrt werden, ansonsten geht das Recht endgültig verloren. Rechtzeitiges Handeln (z.B. durch Klage, Anfechtung, Gesuch) ist somit zwingend vorausgesetzt. Das zuständige Organ (z.B. Gericht, Schlichtungsbehörde) muss die Eingabe noch innerhalb der Frist erhalten haben.
Typische Beispiele von Verwirkungsfristen:
- Arbeitsrecht: Wird einem Arbeitnehmer missbräuchlich gekündigt, kann er eine Entschädigung gestützt auf Art. 336 OR oder Art. 336a OR geltend machen. Dafür muss er gegen die Kündigung längstens bis zum Ende der Kündigungsfrist beim Arbeitgeber schriftlich Einsprache erheben. Ist die Einsprache gültig erfolgt, so kann der Arbeitnehmer den Anspruch auf Entschädigung innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Klage beim zuständigen Gericht geltend machen. Diese 180 Tage stellen eine Verwirkungsfrist dar. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Klageeinreichung nicht mehr möglich und das Recht ist erloschen.
- Vertragsrecht: Befindet sich eine Vertragspartei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beispielsweise in einem Irrtum gemäss Art. 31 Abs. 1 OR, muss diese Partei innerhalb eines Jahres den Vertrag anfechten, ansonsten gilt der Vertrag als genehmigt. Diese Jahresfrist stellt ebenfalle eine Verwirkungsfrist dar.
Weiterführende Informationen
- Rechtsauskunft: 15 Minuten für CHF 40.-
- Tool: Fristenrechner
- Tool: Datum-Rechner
- Blogbeitrag: Bundesgericht – neue Fristberechnung nach Monaten
- Anwendung der Verjährungsfristen bei der Rückerstattung der Verrechnungssteuer (Admin)
- Verjährung – Verwirkung (Law.ch)
- Wirkung der Verjährung (Law.ch)
- Bundesgerichtsentscheid 136 II 187

Céline Weber und Michelle Weber
Juristische Bloggerinnen bei Rechtswissen.ch
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