Neues Erbrecht 2023 – bleiben Testamente gültig?


Ab wann gilt das neue Erbrecht und was ändert sich?

Das neue Erbrecht tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. Es enthält einige neue Regelungen, welche den Erblassern mehr Handlungsspielraum in der Nachlassplanung geben. Mit anderen Worten können Erblasser freier darüber entscheiden, was mit Ihrem Nachlass nach ihrem Versterben passiert. Die grösste Neuerung ist dabei eine Überarbeitung der Pflichtteile, welche künftig kleiner ausfallen.


Wie hoch sind die Pflichtteile ab 1. Januar 2023?

Für bestimmte Erben sieht das Gesetz einen garantierten Mindestanteil am Erbe vor. Dieser sog. Pflichtteil ist verbindlich und kann notfalls gerichtlich eingefordert werden. Mit der Revision des Erbrechts kommt es zu bedeutenden Veränderungen bei den Pflichtteilen. Wer seinen Nachlass mittels Testament oder Erbvertrag regeln möchte, wird künftig weniger stark durch Pflichtteile eingeschränkt. Der Pflichtteil beträgt neu die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs (Art. 471 nZGB). Einen Pflichtteil haben weiterhin Nachkommen, Ehegatten oder eingetragene Partner. Eltern sind neu allerdings nicht mehr mit einem Pflichtteil geschützt (bislang 1/2 des Erbanteils). Abgesehen von den Pflichtteilen können Erblasser weiterhin frei über ihr Vermögen verfügen und die sog. «verfügbare Quote» nach Belieben verteilen.

Mit dem neuen Erbrecht ab 1. Januar 2023 verlieren überlebenden Ehegatten ihren Pflichtteilsanspruch, wenn das Verfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet wurde oder die Ehegatten/eingetragene Partner mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben (Art. 472 nZGB).


Sind bestehende Testamente und Erbverträge auch im neuen Erbrecht gültig?

Wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt, dann kommt weiterhin die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung. Der Nachlass geht also automatisch an die verbleibenden gesetzlichen Erben, wenn nichts anderes geregelt wird. Bisherige Testamente bleiben gültig. Mit der Reduktion der Pflichtteile und der damit verbundenen Erhöhung der verfügbaren Quote haben Erblasser jedoch mehr Spielraum bei der Nachlassplanung. Es wird das Recht angewendet, welches zum Zeitpunkt des Todes gilt (SchlT 16 ZGB). Falls der Tod nach dem 31. Dezember 2022 eintritt, dann werden folglich die neuen Bestimmungen angewendet. Es sollte geprüft werden, ob die Formulierungen der Testamente und Erbverträge auch mit Blick auf das neue Erbrecht genügend präzise formuliert worden sind. Einige Formulierungen könnten nämlich in Zukunft durchaus Probleme verursachen.

Unproblematische Formulierung:

Ich setze meinen Sohn Michael auf den Pflichtteil. Die verfügbare Quote erhält meine Ehefrau.

Erklärung: Diese Formulierung sollte im neuen Recht keine Probleme verursachen. Der Pflichtteil verkleinert sich mit den neuen Bestimmungen, so dass die Ehefrau ab 1. Januar 2023 einen grösseren Anteil erhält.

Problematische Formulierung:

Meinen Sohn Vecna setze ich auf den Pflichtteil von 3/4.

Erklärung: Hier beträgt der neue Pflichtteil nur noch 1/4, womit sich die Frage stellt, ob der Erblasser dem Sohn tatsächlich 3/4 oder nicht einfach den Pflichtteil von neu 1/4 hinterlassen wollte. Die unklare Formulierung sollte nach Möglichkeit angepasst werden, da sie Probleme verursachen könnte.

Falls Erblasser das Testament neu erstellen oder eine Formulierung anpassen möchten, dann müssen sie urteilsfähig sein und beispielsweise nicht unter Demenz leiden. Bei Erbverträgen müssen alle Beteiligten mit den Änderungen einverstanden sein und dies bei der Anpassung des Vertrags beim Notar entsprechend bestätigen.


Wo finde ich weitere Informationen zu Pflichtteilen, Erbteilen, Testamenten usw.?

Auf der Seite unseres Erbrechners finden Sie vielen weiterführende Informationen und können Erbteile und Pflichtteile nach geltendem Recht kostenlos berechnen.

Falls Sie eine telefonisch Rechtsauskunft im Erbrecht benötigen, dürfen Sie sich gerne bei uns über das Rechtsauskunftstool melden (CHF 40.- für 15 Minuten).


Weiterführende Links:



Robin Eschbach

Rechtsanwalt, Mitbegründer von Rechtswissen.ch
Partner bei Advokatur am Fischmarkt, 4410 Liestal

Vielen Dank für Ihren Besuch bei Rechtswissen.ch! Folgen Sie uns auf Facebook oder Linkedin und bleiben Sie so auf dem Laufenden.



Subscribe
Notify of
1 Kommentar
neuste
älteste
Inline Feedbacks
View all comments
Walter
29. August 2023 10:57

Was ist wenn der Ehepartner vor dem Erblasser verstirbt; Werden dann deren Erben die Erbanteile des de cujus übernehmen, oder ist dann alleiniger Erbe der Nachkomme (Sohn, Tochter)?